Blausäure in Maniok
In den Tropen sind mehr als 500 Mio. Menschen auf Maniok als Grundnahrungsmittel angewiesen (siehe "Vor- und Nachteile von Maniok"). Maniok bietet einige für die Tropen kaum zu überbietende Vorteile, aber auch gewichtige Nachteile. Ein grosser Nachteil ist der Gehalt an Cyaniden, welcher ungünstigerweise bei Sorten mit hohem Ertrag den höchsten Gehalt erreicht.
Maniok enthält, wie viele andere pflanzliche Lebensmittel auch, Cyanide. Bisher kennt man über 3000 Pflanzenarten, welche sogenannte cyanogene Glucoside enthalten. Der Name "cyanogene Glucoside" deutet darauf hin, dass aus diesen Blausäure freigesetzt werden kann. Sie kommen jedoch meist in so gerigen Menge vor, dass sie für den Menschen nicht gefährlich sind.
In Maniok hingegen kann der Gehalt bei der Ernte von einigen Miligramm pro Kilogramm bis zu mehr als 500 mg/kg variieren. Bei diesen Gehalten ist bereits der Verzehr einiger hundert Gramm frischer Knollen tödlich. Akute Vergiftungen sind jedoch selten und können bei ungenügender Verarbeitung oder Kosum von frischen Wurzeln auftreten. Viel häufiger sind chronische Vergiftungen durch den täglichen Konsum von Produkten mit relativ geringen Mengen an Blausäure. Verschiedene Krankheiten wie Kropf, Vitamin-B12-Mangel, Konzo, neuronale Erkrankungen und Diabetes werden in Verbindung mit chronischer Blausäureaufnahme gebracht (weiteres zu Krankheiten).
Einteilung in süsse und bittere Sorten
Auf Grund des Gehaltes an Blausäure werden Manioksorten in süsse und bittere Varietäten unterteilt. Als süsse Sorten gelten jene, bei denen der Gehalt an Blausäure unter 100 mg/kg Frischgewicht liegt. Diese Sorten benötigen nur wenige, einfache Verarbeitungsschritte (z.B. Kochen, Braten), um gegessen werden zu können. Bittere Sorten enthalten mehr als 100 mg/kg Blausäure und müssen vor dem Verzehr aufwändig verarbeitet werden (siehe Produkte).
Die Einteilung in süsse und bittere Sorte weist auf den Geschmack der rohen Wurzel hin. Der Geschmack wird von den Bauern verwendet, um zwischen süssen und bitteren Sorten zu unterscheiden.
Das cyanogene Glucosid, welches in Maniok vorkommt, nennt man Linamarin. Es ist in der intakten Zelle im Zellsaft lokalisiert, das zugehörige Enzym, welches Linamarin abbauen kann, befindet sich in der Zellmembran. Wird die Zelle zerstört, kommt die Linamarase mit dem Linamarin in Kontakt und spaltet Glucose vom Linamarin ab, es entsteht das instabile Acetoncyanohydrin. Dieses zerfällt weiter zu Aceton und Blausäure (HCN).
Das Prinzip der Entgiftung von Maniok ist also einfach: Die Knollen werden fein zerkleinert, sodass das Linamarin mit dem Enzym Linamarase in Kontakt kommt. Dabei wird das Linamarin über das Zwischenprodukt Acetoncyanohydrin zu Blausäure abgebaut (siehe Bild unten). Diese wird entweder über Presssaft (teilweise) weggeschwemmt oder verdunstet, z.B. bei einer Trocknung oder beim Dämpfen.
Abbau der cyanogenen Glucoside bei der Zellzerstörung
Die Funktion von Blausäure in Maniok
Über die Funktion von Blausäure in Maniok existieren verschiedene Theorien, die meist mit einem erhöhten Schutz der Pflanze gegenüber Schädlingen in Verbindung steht. Dieser Zusammenhang ist noch nicht ausreichend belegt, es gibt jedoch Hinweise, dass ein gewisser Schutzmechanismus besteht.
Schädlinge, welche auf Maniok als Nahrungspflanze spezialisiert sind, scheinen durch die Blausäure nicht beeinflusst zu werden. Schädlinge mit einem breiten Nahrungsspektrum, hingegen, meiden Manioksorten mit hohem Blausäuregehalt. Dies gilt z.B. für Grashüpfer, die die Blätter von Manioksorten mit hohem Blausäuregehalt nur dann fressen, wenn keine andere Nahrungsquelle zur Verfügung steht.
Bei Nagetieren ist ebenfalls ein gewisser Schutz vor Tierfrass belegt. Maniksorten mit niedrigem Blausäuregehalt sind anfälliger für Frass als Sorten mit hohem Gehalt.